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1. Theil 3 - S. 268

1880 - Stuttgart : Heitz
268 Neue Geschichte. 2. Periode. Rußland. Das Haus Rurik war nach mehr als 700jähriger Dauer 1-598 mit Feodor Jwanowitsch erloschen; ein russischer Edelmann, Boris Godunow, der schon unter Feodor die Regierung geleitet hatte, wurde zum Herrscher erwählt. *) Gegen ihn trat der angeblich *) Wir tragen hie.r eine kurze Uebersicht der Geschichte des russischen Reiches unter dem Hause Rurik nach. Slavische und finnische Völkerschaften von der Ostküste des baltischen Meeres zur oberen Wolga hin hatten 862 eine Normannenschaar, die Waräger, als ihre Herren in das Land gerufen, um dadurch die Beendigung innerer Zerwürfnisse herbeizuführen. Die Waräger, für welche hier der Name Russen aufkam, erschienen unter der Führung von drei Brüdern, Rurik, Sineus und Truwor. Rurik wurde nach dem Tode seiner Brüder der einzige Gebieter des neugestifteten Reiches'; er hatte seinen Herschersitz in Nowgorod am Jlmensee aufgeschlagen. Sein Nachfolger machte Kiew zur Residenz. Siegreiche Kriege erweiterten das Reich nach Osten und Süden; mit kühnen Seefahrten über das schwarze Meer und in den Bosporus bis vor die Mauern von Constantinopel wurde das oströmische Reich geschreckt und gebrandschatzt. Der Enkel Ruriks, Swätoslaw, überschritt mit Heeresmacht die Donau und drang bis Adrianopel vor. Wladimir der Große, 980—1015 vermählte sich mit der griechischen Prinzessin Anna, einer Schwester der Theophania, welche die Gemahlin des deutschen Kaisers Otto Ii. war; er nahm das Christenthum an und führte dasselbe auch in seinem Volke ein, 984. Es geschah dies im Anschluß an die griechische, nicht an die römische Kirche, ein Umstand, welcher viel dazu beitrug, daß Rußland den abendländischen Völkern so lange sremd blieb. Sein großes Verdienst, christlicher Gesittung in Rußland Eingang verschafft zu haben, schmälerte er unabsichtlich dadurch, daß er bei seinem Tode das Reich unter seine Söhne theilte, deren einer, der Großfürst von Kiew, die Oberherrlichkeit verwalten und den Zusammenhang der Theile erhalten sollte. Bruderkriege, Parteiungen und die Einmischung der Nachbarn, besonders der Polen, waren jahrhundertelang die verderblichen Folgen dieser Theilungen; das Volk litt unter den räuberischen Einfällen der Grenzvölker, die Macht des Reiches verfiel/ Während dieser traurigen Zeiten wurde um 1150 Moskau gegründet. Kiew verlor an Bedeutung, und die Stadt Wladimir kam als Fürstensitz ansehnlich empor, doch auch nur vorübergehend; Nowgorod aber als eine fast selbständige Handelsrepublik und im Besitz eines weiten Gebietes erlangte große Macht und war eines der bedeutendsten Mitglieder der Hansa. Als 1287 die verwüstenden Schwärme der Mongolen aus Asien hereinbrachen fehlte in Rußland die Kraft, sich der wilden Feinde zu erwehren. Die goldene Horde der Mongolen gründete in den Gebieten der unteren Wolga das Reich von Kaptschak und hielt die russischen Fürsten und Großfürsten über 200 Jahre lang in Tributpflicht. Noch in der ersten Zeit dieser mongolischen Herrschaft erwarb sich der Großfürst Alexander Newsky, 1252—1263, durch einen Sieg an der Newa über die Schweden einen gefeierten Namen. Sein Enkel, Johann Kalita 1328—1340, begann mit Klugheit und Ausdauer die Kraft des Reiches wieder zu heben. Moskau wurde Hauptstadt, und auch der Sitz des Metropoliten wurde von Kiew hierher verlegt. Wenn auch der erste Versuch, das Mongolenjoch abzuschütteln, trotz eines großen Sieges über dieselben am Don 1380

2. Theil 3 - S. 269

1880 - Stuttgart : Heitz
Peter der Große. 269 noch vorhandene Bruder des letzten Czaren, Demetrius, auf; er sei den von Boris gegen ihn ausgesendeten Mörderhänden entgangen und mache nun Anspruch auf den ihm gehörenden Thron. Der Betrüger, ein ehemaliger Mönch, Namens Otrepjew, erlangte den Beistand des Polenköniges, und auch unter den Bojaren fand er Anhang. Boris wurde besiegt, und nach dessen plötzlichem Tode zog der falsche Demetrius 1605 in Moskau ein. Seine Herrschaft aber dauerte nur ein Jahr. Eine Verschwörung gegen ihn brach aus und in dem Tumulte wurde er vom Volke erschlagen. Nun brach eine schreckliche Verwirrung herein. Es fanden sich neue Abenteurer, welche die Rolle des Demetrius weiter spielen wollten; Bürgerkrieg und fremde Waffengewalt zerrütteten das Land, denn die Wuth der Parteien hatte die Polen und Schweden gegen einander zu Hilfe gerufen; bis Moskau drangen die Polen vor und besetzten den Kreml. Das Reich war nahe am Zerfall. Da rief ein geringer Mann aus dem Volke, Kosma Minin, seine Landsleute zur Rettung des Vaterlandes auf; sein Ruf fand begeisterte Aufnahme. Die Polen wurden zum Abzüge gezwungen, der Bürgerkrieg erlosch allmählich und den wieder hergestellten Thron bestieg 1613 Michael Feodorowitsch Romanow, durch seine Mutter mit dem alten Herrscherhause verwandt. Er regierte bis 1645, sein Sohn und Nachfolger Alexei bis 1676. Diefe ersten Romanows nicht sofort zum Ziele führte, so hatten doch die Russen ihr Selbstvertrauen wiedergewonnen und die Großfürsten von Moskau sorgten ausdauernd für die Stärkung des Reiches durch Förderung der Reichseinheit. Endlich brach Iwan Wasiljewitsch, 1462—1505, das Joch der unter einander uneinig gewordenen Mongolen, 1480. Vorher schon hatte er der Selbständigkeit der russischen Theilfürsten ein Ende gemacht; auch das reiche und mächtige Nowgorod hatte er unterworfen. Iwan nahm den Titel Czar von Großrußland an und den zweiköpfigen Adler des untergegangenen oströmischen Reiches in das Reichswappen auf. Seine Gemahlin Sophie war eine Nichte des letzten griechischen Kaisers, welcher mit seiner Hauptstadt dem Ansturm der Türken erlegen war (siehe Band Ii. S. 273). Sie förderte, so weit es ihr möglich war, die Anknüpfung Rußlands mit dem westlichen Europa. Iwan Wasiljewitsch Ii., wegen seiner wilden Gemüthsart der Schreckliche genannt, vergrößerte das Reich nach Osten hin durch die Eroberung der aus dem zertrümmerten Mongolenreiche noch übrigen Königreiche Kasan und Astrachan; mit der Unterwerfung Sibiriens wurde durch den kühnen Kosakenhäuptling Jermak ein Anfang gemacht; weniger erfolgreich waren Iwan Ii. Kriegszüge gegen die Polen. Sein Sohn Feodor, 1584—1598, war der letzte Czar aus dem Hause Rurik, welches mit ihm ausstarb. Ein jüngerer Bruder dieses Feodor, Demetrius, war noch als Knabe auf Anstiften des Boris Godunow, Feodors Günstling, ermordet worden.

3. Theil 3 - S. 280

1880 - Stuttgart : Heitz
280 Neue Geschichte. 2. Periode. Schweden und Rußland. tete er nach Auflösung der Strelitzen ganz nach europäischem Vor-bilbe ein, ebenso eifrig erstrebte er die Grünbnng einer russischen Seemacht. Schon 1697 hatte er Asow eingenommen und sich bomit bett Zugang zu dem schwarzen Meere eröffnet; wie er feilte Macht bis an die Küste der Ostsee ausbehnte, soll in bett nächsten Abschnitten erzählt werben. 106. Karl Xii., König von Schweden, 1697—1718. Karl Xii. war ein Urenkel der Schwester Gustav Abolphs, die an einen Pfalzgrafen von Zweibrücken vermählt gewesen war. Als fein Vater starb, war er noch nicht 15 Jahre alt. Daher verwaltete anfangs feine Großmutter, eine verstänbige Frau, die Regierung. Aber die Schweden wollten nicht gern unter der Herrschaft einer Frau stehen und übertrugen daher balb dem jungen Karl die Regierung. Er zeichnete sich als Knabe durch nichts aus, und man hielt ihn allgemein für einen sehr mittelmäßigen Kopf. Schweden hatte bamals einen viel großem Umfang als jetzt. Auch Finnlanb, Jngermannlanb (wo jetzt Petersburg liegt), Esth-lctttb uttb Lievlanb gehörten bett Schweden. Darüber waren aber die Nachbarn längst eifersüchtig gewesen uttb hatten nur auf eine Gelegenheit gewartet, über Schweden herzufallen und ihm die Febern auszurupfen. Jetzt glaubten sie, fei die Gelegenheit gekommen. Peter der Große, August Ii. von Polen und Friedrich Iv. von Dänemark schlossen ganz insgeheim einen -Bunb, und wirklich merkte auch Karl nichts bavon. Plötzlich brachen die Dänen in Holstein ein, welches bamals einem Schwager des Königs von Schweden gehörte, währenb sich August auf Lievlanb warf. Als Karl bies erfuhr, sprach er: „Es ist wunberlich, daß meine beibett Vettern Krieg haben wollen. Es mag also barum sein. Wir haben eine gerechte Sache; Gott wirb uns wohl helfen. Ich will die Sache erst mit dem einen abthun und hiernächst kann ich alle Zeit mit dem ctnbern sprechen." Seit der Zeit hatte er keinen Sinn mehr für Hoffeste. Matr sah ihn sich lebhaft mit bett alten Generalen feines Vaters und Großvaters unterhalten und ein ganz neuer Geist war in ihn gefahren. Alles war nun gespannt, was Karl thun würde. Sein Feuergeist wollte die Sache schnell entfchieben wissen und darum beschloß er, auf Seelanb zu tauben und dem Könige von Dänemark einen solchen Schrecken einzujagen, daß er Frieden machen müßte. Ge-

4. Theil 3 - S. 373

1880 - Stuttgart : Heitz
Russisch-türkische Kriege. 373 Kosacken am Jaik zurück und entwarf den Plan zu einem neuen Aufstande. Er gab sich für Kaiser Peter Iii. aus; die Nachricht von seinem Tode sei falsch, er sei damals entkommen und wolle nun an der Spitze der Kosacken in Rußland vordringen, alles niederwerfen, überall neue Beamte einsetzen und die Krone seinem Sohne Paul übertragen. Die Kosacken glaubten ihm; sie geriethen in Bewegung; sein Anhang mehrte sich von Tage zu Tage. Er bemächtigte sich mehrerer kleinen Festungen, schlug die gegen ihn gesandten Heerhaufen und wurde wirklich von den unwissenden Umwohnern des Flusses Ural für den Kaiser gehalten. Ueberall, wohin die wilden Ausrührer kamen, wurde fürchterlich gehaust, Kasan erstürmt und verbrannt, und eine Menge Menschen niedergehauen oder hingerichtet. Der Aufruhr verbreitete sich immer weiter; 20,000 Mann gehorchten bereits Pugatfchews Befehlen. Endlich, nachdem die Empörung länger als ein Jahr gewährt hatte, gelang es dem Oberst Michelsohn, die Rebellen entscheidend zu schlagen. Mit nur 30 Kosacken floh Pugatschew über die Wolga, irrte in der Steppe umher und wurde von allen Seiten umstellt. Seine Begleiter, die seine Sache verloren sahen, beschlossen, durch seine Auslieferung sich die Verzeihung der Kaiserin zu erwerben. Als er eines Tages, in Nachdenken vertieft, in seinem Zelte saß, drangen sie ein und umringten ihn. „Wir sind dir lange genug gefolgt," sprach einer; „jetzt ist die Reihe an dir, uns zu folgen." Sie banden ihn und führten ihn nach Uralsk. Von hier ließ ihn Suwarow, der herbeigeeilt war, nach Moskau abführen, wo er anderthalb Jahr nach dem Beginn des Aufruhrs (1775) mit mehreren seiner Genossen hingerichtet wurde. Seitdem ist die Herrschaft Katharinas ungestört geblieben, wohl aber mag sie im Besitz und Genuß der größten irdischen Herrlichkeit noch gar manchesmal, von Sorgen und Erinnerungen bewegt, mit wehmüthiger Sehnsucht an die glücklichen Jugeudtage in Stettin zurückgedacht haben. Mit den Türken wurden unter der Regierung Katharina Ii. zwei blutige Kriege geführt, von 1768—74, und von 1787—91. Im ersten Kriege hatte sie die unter dem türkischen Joche seufzenden Griechen durch lockende Versprechungen zur Empörung gegen ihre Zwinger gereizt. Aber so glücklich auch die Russen fast überall gegen die Türken waren, so wenig wurden die Griechen unterstützt und endlich von den Türken ganz in die Enge getrieben. Jetzt metzelten die Türken schonungslos unter den armen Menschen, die

5. Theil 3 - S. 267

1880 - Stuttgart : Heitz
Peter der Große. 267 Kaiser 1705 und machte seinem Sohne Joseph I. Platz. Dieser war einsichtsvoll und wohldenkend, und hätte gewiß für Deutschland mehr gethan, hätte ihn nicht der spanische Erbfolgekrieg so sehr beschäftigt. Er hat dessen Ende nicht erlebt; denn er starb schon 1711, erst 33 Jahre alt. Da er keine Söhne hatte, so folgte ihm sein Bruder Karl Vi., der jenem Kriege im Frieden von Rastatt 1714 ein Ende machte. Den Geist Josephs I. besaß er zwar nicht, aber er hat für seine Erbländer recht treu gesorgt und den durch die vielen Kriege zerrütteten Wohlstand wieder zu heben gesucht. Nur für Deutschland hat er so gut wie nichts gethan. Er hat bis 1740 regiert. Von seiner Tochter und Nachfolgerin, Maria Theresia, wird unten mehr die Rede sein. 105. Peters des Großen Jugendjahre und erste Regierungszeit. Vor der glorreichen Regierung Peters des Großen war das russische Reich wenig zu den europäischen Ländern gerechnet worden. Kaum wußte man in Europa von dem Volke der Russen oder den Moskowitern; selten einmal hatte ein europäischer Fürst eine Gesandtschaft nach Kiew oder Moskau geschickt. Erst seit dem Einbruch der Türken in Europa hatte man hier angefangen, an eine Mitwirkung der Russen bei den Kämpfen gegen den Halbmond zu denken. In Sprache und Sitten, Kleidung und Lebensweise, in Staatsverwaltung und Religion hielten sich die Russen von den Culturzustäuden der europäischen Völker getrennt; nur im Kriegswesen war unter den letzten Vorgängern Peters eine Annäherung an europäische Einrichtungen versucht worden. Da trat in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts Czar Peter mit den großen Entschlüssen auf, die Macht Rußlands bis an das schwarze Meer und die Ostsee auszudehnen, den Anschluß seines Reiches an die europäischen Staaten einzuleiten und sein Volk der europäischen Bildung zugänglich zu machen. Wenn auch damit zunächst nur eine äußerliche Veränderung erreicht wurde und wenn auch die frühere Roheit nicht sogleich verschwand, so hat doch Czar Peter bewirkt, daß seit ihm die Russen unter die europäischen Völker eingetreten sind. Er verdient daher gleich Karl dem Großen, gleich Alfred von England einen Platz in der Reihe der culturbringenden Fürsten, deren sich die Vorsehung bedient, um den Grund zur Entwickelung und zum Emporsteigen ganzer Völker zu legen.

6. Theil 3 - S. 270

1880 - Stuttgart : Heitz
270 Neue Geschichte. 2. Periode. Rußland. haben kräftig und einsichtsvoll den Grund zu dem unterwürfigen Vertrauen und dem hingebenden Gehorsam gelegt, welchen das russische Volk seinem Herrscher entgegenbringt: was Gott und der Czar will, das geschehe! Sie haben mit Zuziehung europäischer Kriegsleute angefangen, die Heeresverfassung zu bessern; die an Polen verloren gegangenen Gebiete von Smolensk und Kiew wurden zurückerworben, und die Kosaken unterwarfen sich dem russischen Scepter. Eine besondere Erwähnung verdienen die kirchlichen Verhältnisse. Schon durch Boris Godunow war der Metropolit von Moskau zum Patriarchen erhoben und die russische Kirche dadurch völlig selbständig geworden. Unter Alexei hatte der Patriarch eine Reinigung des Cultus von eingeschlichenen Irrthümern und eine Zurückführung der religiösen Vorschriften auf die altgriechische Kirchenlehre vorgenommen. Ein Theil des Volkes aber wollte die bisher gewohnten Formeln und Gebräuche nicht aufgeben und es bildete sich eine Partei der Altgläubigen oder Roskolniken. Nach Alexei's Tode folgte ihm sein ältester Sohn Feodor, der jedoch schon 1682 kinderlos starb. Die Erben des Thrones waren Iwan, der gebrechliche und geistesschwache zweite Sohn Alexei's, neben welchem seine ränkevolle Schwester Sophia stand, und Peter, der zehnjährige Sohn Alexei's aus dessen zweiter Ehe mit Natalia Naryschkin. Unter diesen Verhältnissen waren Unruhen zu befürchten, und sie blieben nicht aus. Zwar riefen die russischen Großen den jungen Peter zum Czareu aus; aber Sophia, die ihn und seine Mutter Natalia bis auf den Tod haßte, wiegelte die Strjelzü oder Strjelitzeu — so nannte man die regelmäßigen Soldaten — auf, und diese erregten einen furchtbaren Aufruhr, weil Sophia ausgesprengt hatte, daß Iwan durch die Familie der Natalia ermordet sei. Mit wüthendem Geschrei wälzte sich die Schaar nach dem Paläste (Kreml in Moskau), um Iwans vermeintlichen Tod zu rächen, und selbst als dieser sich zeigte, hörte der Tumult nicht auf. Die meisten Brüder und Verwandten und Räthe Nataliens wurden grausam ermordet. Den-Leibarzt ermordeten sie, weil sie bei ihm getrocknete Meerpolypen und eine Schlangenhaut gefunden hatten und ihn daher für einen Zauberer hielten. Dann riefen sie Iwan zum Czaren aus. Er erschien und stammelte: „Ich will euer Czar sein; aber laßt doch meinen lieben Bruder Peter mit mir regieren!" Das ließen sie sich gefallen, doch sollte Sophia die Regentschaft führen.

7. Theil 3 - S. 273

1880 - Stuttgart : Heitz
Peter der Große. 273 und wurde in ein Kloster bei Moskau verwiesen, wo sie unter dem Namen Susanns den Schleier nahm. Iwan behielt den Czarentitel, an der Regierung hatte er keinen Antheil mehr; er starb 1696. Peter war nun alleiniger Czar und Selbstherrscher. Am 9. September 1689 hielt er seinen feierlichen Einzug in den Kreml. Rasch ging er nun an die Durchführung der von den ersten Romanows eingeleiteten Umwandlung Rußlands zu einem europäischen Staate. Einst ging er, 19 Jahre alt, in einem Dorfe bei Moskau durch einen Speicher, in welchem altes Hausgeräth aufbewahrt wurde. Da fiel ihm ein Boot in die Augen. „Warum ist das anders gebaut," fragte er gleich, „als die Schiffe, die ich auf der Moskwa sehe?" — „Es ist ein englisches Boot," antwortete man ihm, „und sowohl zum Rudern als zum Segeln zu gebrauchen." — „Das möchte ich sehen," rief Peter; „ist denn niemand da, der es regieren könnte?" — Man sagte ihm, vielleicht verstände es ein alter holländischer Tischler, Karsten Brand, der ehemals Schiffszimmermann gewesen sei. Er wurde gerufen, setzte das Boot wieder in Stand und fuhr dann vor den Augen des erstaunten Ezaren den Strom hinab und hinauf. Nun trat Peter selbst ans Steuer und das Wasser war von jetzt an sein Element. Bald war ihm der Fluß, bald ein großer Teich zu enge; das Schiff mußte in einen See gebracht werden. Diesem Schiffe folgten bald mehrere, die der alte Brand ihm bauen mußte. „ Könnte ich doch nur einmal ein Seeschiff sehen!" rief Peter sehnsüchtig aus. Rußland hatte aber damals noch kein Land an der Ostsee und am schwarzen Meere: das weiße Meer war das einzige, wo Peter seine Sehnsucht stillen konnte; dorthin reiste er. Er kam nach Archangel. Wie schlug ihm das Herz, als das weite Meer mit vielen holländischen Schiffen vor seinen trunkenen Blicken dalag! In der Tracht eines holländischen Schiffers befuhr er selbst die See und munterte die Holländer auf, recht bald wieder zu kommen. Als er zum zweiten Male in Archangel war, überfiel ihn mitten auf dem Meere ein Sturm. Die Gefahr war so groß, daß alle Schiffer beteten und ihr Ende erwarteten. Nur Peter war unerschrocken, sah auf den Steuermann und wollte diesem Vorschriften geben, wis er lenken müsse. Dieser aber wurde ungeduldig. „Geh mir vom Leibe!" fuhr er den Czar an; „ich muß wissen, wie man steuern soll; ich weiß das besser als du!" Und wirklich brachte er auch das Schiff glücklich an das Ufer. Hier aber fiel er vor dem Czar aus die Kniee und bat ihn wegen seiner Grobheit um Verzeihung. Weltgeschichte für Töchter. Hi. 16. Aufl. 18

8. Theil 3 - S. 285

1880 - Stuttgart : Heitz
Erbauung von St. Petersburg. 285 schwedische Armee bei ihm vorbeigefluthet, so machte er sich gleich darüber her, oben in Jngermannland eine neue Stadt zu bauen. St. Petersburg wurde sie genannt und sollte die Hauptstadt seines Reichs werden. Wenn Peter einmal etwas unternahm, dann wurde es auch mit allem Eifer betrieben, und so wurden auch jetzt viele Tausend Bauern, wovon manche 2—300 Meilen weit her waren, zusammengetrieben, und mußten graben und schanzen. Aber zum Unglück war weder für hinlängliche Lebensmittel noch für Handwerkszeug gesorgt. Da fehlte es an Schaufeln, Hacken und Brettern, und Schubkarren kannten die Russen noch gar nicht einmal. Zwanzigtausend mußten täglich arbeiten und die Erde in den Schößen ihrer Röcke herbeitragen. Viele Tausend Menschen gingen dabei zu Grunde, der Bau aber machte reißende fortschritte. Nachdem binnen vier Monaten die Wälle und Gräben vollendet waren, ging es an den Häuserbau. Freilich waren es nur hölzerne Hütten; wer sollte darin wohnen? — Da ließ sich der Fürst Meuschikow hier nieder, und schon seine vielen Hofbedienten nahmen viele Häuser ein. Auch blieben manche der Arbeiter, die sehr weit nach Hause hatten, lieber gleich hier und bauten sich an. Zufällig kam ein holländisches Schiff mit reicher Ladung an. Peter war darüber so erfreut, daß er ihm entgegenfuhr und es selbst in den Hafen lootsete. Dann gab er dem Schiffer ein Gastmahl. Wie wunderte sich der Mattn, als er hörte, der mit am Tische saß und den er bisher für einen Lootsen gehalten hatte, sei der Czar! Wie geschwind flog seine Mütze vom Kopfe herunter! Peter kaufte ihm einen großen Theil seiner Ladung ab; bald war das Schiff leer, und der Schiffer wurde obendrein reich beschenkt entlassen. Vergnügt kam er nach Holland zurück und bald mehrten sich die Schiffe im Hafen von Petersburg, die alle eben so freundlich ausgenommen wurden. Das lockte wieder viele Kaufleute hin und so wurde die Stadt immer größer. Freilich mußten sich auch viele russische Große da nieder- • lassen, weil der Czar es so haben wollte. Das geschah 1703. Ein recht schöner Zug muß noch hier von Peter erzählt werden, ein Gegenstück zu Tilly's Betragen in Magdeburg. Die Stadt Narwa, dieselbe, wo Karl die große Schlacht gewonnen hatte, wurde vom Czar wieder belagert. Sie war schwach; aber der schwedische Commandant wollte sie durchaus nicht übergeben. Da ließ Peter zur Mittagszeit, als die Schweden tafelten, stürmen und gewann die Festung. Vorher aber hatte er streng verboten.

9. Theil 3 - S. 286

1880 - Stuttgart : Heitz
286 Neue Geschichte. 2. Periode. Schweden und Rußland. die Einwohner auszuplündern oder zu mißhandeln. Daher ritt er in den Straßen selbst umher und sah auf Ordnung. Aber die Russen waren rohe Menschen und es fielen doch viele Gewaltthätigkeiten vor. Er strafte die Uebelthäter streng und stieß viele mit eigener Hand nieder, die er über dem Plündern ertappte. Dann ließ er den schwedischen Commandanten vor sich führen. „Du bist," sprach er zornig und gab ihm einen Backenstreich, „allein schuld an dem vergossenen Blute. Hülslos, wie du warst, hättest du dich längst ergeben sollen. Sieh diesen Degen! Er ist roth, nicht vom Schwedenblute; vom Russenblute ist er roth. Deine unbesonnene Hartnäckigkeit gab die armen Einwohner dem Verderben preis. Ich habe den Ausschweifungen meiner Soldaten gewehrt und die Einwohner gerettet, so weit ich's vermocht." Und Peter war nur ein -roher Russe; aber er hatte Religion im Herzen. Nun wieder zu Karl. Mitten im Winter zog er unter den unsäglichsten Beschwerden durch Polen und Litthauen, Länder, durch die man selbst im Sommer ungern reist. Dazu kam, daß die Russen nicht Stand hielten, sondern beim Rückzüge ihre eigenen Dörfer verbrannten und das ganze Land vollends zur Wüste machten. Dennoch ging Karl immer vorwärts, und jedermann glaubte, er würde nach Moskau vordringen. Plötzlich aber wandte er sich südlich und senkte sich in die weiten Steppen der Ukraine (sprich Ukra-ine) hinab. Hiermit ging Karls Unglücksstern auf. Die Ursache dieses Entschlusses war, daß der alte 70jährige Kosackenhetman Mazeppa ihm vorspiegelte, in der Ukraine, wo damals die Kosacken wohnten, wären Lebensmittel, an denen es jetzt den Schweden so sehr fehlte, in Ueberfluß und seine Kosacken bereit, mit den Schweden gemeinschaftliche Sache zu machen. Das war aber nicht wahr. Mazeppa war ein ehrgeiziger Mann und hoffte' sich durch die Hülfe der Schweden zum unabhängigen Herrn zu machen. Karl, den alles Ungewöhnliche schnell einnahm, folgte seinem Rathe und führte dadurch namenloses Elend für sich und sein Heer herbei. In der Ukraine fand Karl alles anders, als er es sich gedacht hatte. Ueberall war drückender Mangel an Lebensmitteln. Die Kosacken weigerten sich, zu den Schweden überzugehen und blieben den Russen treu; nur wenige folgten dem treulosen Mazeppa. Karl hatte einen seiner besten Generale, Löwenhaupt, befehligt, ihm einen großen Vorrath von Lebensmitteln und Pulver aus

10. Theil 3 - S. 287

1880 - Stuttgart : Heitz
Mazeppa. Lchlacht bei Pultawa. 287 Kurland zuzuführen; endlich kam er auch bei ihm an; aber — die Vorräthe hatten ihm der Czar und Menschikow unterwegs am Dnepr abgenommen und ihm in einer blutigen Schlacht Tausende von Soldaten verwundet und getödtet, und die paar Tausend, die er mitbrachte, vermehrten nur die Zahl der Hungernden. Nun fiel noch gar der Winter ein, und zwar mit solcher Strenge, wie man erlebt zu haben sich nicht erinnerte. Tausende erkrankten und starben. Was sollten die armen Schweden, entblößt von aller Bequemlichkeit, nun anfangen? Die Generale riethen, schnell umzukehren und sich durchzuschlagen. Aber dazu war der eigensinnige Karl nicht zu bewegen; das sähe ja einer Flucht ähnlich, meinte er; er könne nur vorwärts gehen. So kam man zur Stadt Pultawa und belagerte sie. Schon war die russische Besatzung bis aufs äußerste gebracht, da rückte Peter schnell heran, um durch eine Schlacht die Entscheidung herbeizuführen. Alles deutete darauf hin, daß die Schweden verlieren würden. Die Russen zählten an 80,000 Mann, die Schweden kaum 20,000. Dazu kam, daß Karl einige Tage vor der Schlacht einen Schuß in den Fuß erhielt, der ihm einige Zehen zerschmetterte und er also nicht reiten, daher auch selbst nicht befehligen konnte. Am 8. Juli 1709 begann die verhängnißvolle Schlacht. Karl war selbst zugegen. Er saß aus einer Sänfte, die von zwei Pferden getragen wurde, und sein Adlerblick schweifte auf dem ganzen Schlachtfelde umher. So ging es in den dicksten Kugelregen! Plötzlich stürzte das eine Pferd, von einer Kugel getroffen, zu Boden und die ihn begleitenden Gardisten mußten ihn nun weiter tragen. Aber auch dies dauerte nicht lange. Eine Stückkugel zerschmetterte die eilte Stange feines Tragbrettes und er mußte sich nun mit seinem dickumwundenen Fuße zu Pferde setzen. Auch Czar Peter schonte sich nicht: eine Kugel war ihm durch den Hut gegangen, eine andere hatte ihm seinen Sattelknopf zerschmettert. Aber reiche Entschädigung erhielt er durch den herrlichen Sieg, den er erfocht. Ein schwedisches Regiment nach dem andern mußte sich ergeben, und endlich begann eine allgemeine Flucht. Karl selbst warf sich mit Mazeppa in einen Wagen und eilte davon. Peter behandelte die gefangenen Generale mit großer Achtung. Sie mußten an seiner Tafel mit ihm speisen, und als ein russischer Offizier von Karl verächtlich sprach, warf er ihm einen ernsten Blick zu und sagte: „Bin ich nicht auch ein König, und wer bürgte mir dafür, daß nicht Karls Schicksal das meinige würde?"
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